Das Boreout-Syndrom (englisch boredom = Langeweile) bezeichnet die ausgesprochene Unterforderung im Beruf. Der Begriff ist eine 2007 erstmals verwendete Analogbildung zum Burnout-Syndrom und wird bisher eher in den Medien als im wissenschaftlichen Bereich diskutiert. Kritiker bemängeln, „Boreout“ sei ein neues Wort für ein altbekanntes Phänomen, nämlich Stress durch Langeweile am Arbeitsplatz und Überqualifikation für die ausgeübte Tätigkeit. Verschiedene Psychologen jedoch vertreten die Meinung, dass das Syndrom echten Krankheitscharakter aufweisen kann. Ein Boreout-Syndrom kann in ein Burnout-Syndrom münden.
Symptome
Auch wenn Boreout von der Ursache her das Gegenstück zum Burnout ist – die Symptome eines Boreout-Syndroms und eines Burnout-Syndroms sind grundsätzlich die gleichen:
- Abgeschlagenheit
- Niedergeschlagenheit, Depression
- Antriebslosigkeit
- Erschöpfung
- Übergroße Müdigkeit
- Schlafprobleme
- Erhöhte Infektanfälligkeit
- Konzentrationsprobleme
- Schuldgefühle
- Minderung des Selbstwertgefühls und des Empfindens der Selbstwirksamkeit
- Erhöhte Fehleranfälligkeit bei der Arbeit, daraus resultierend das Gefühl, selbst einfach erscheinende Tätigkeiten nicht mehr adäquat erledigen zu können
- Magen-/Darmbeschwerden, Bauchschmerzen
- Angstzustände
Risikofaktoren
Auch wenn Boreout in der Erscheinungsform der simplen Faulheit ähneln mag, so tritt er doch bei Menschen auf, die eigentlich gerne arbeiten, ehrgeizig sind und Herausforderungen und Anerkennung suchen. Typischerweise betrifft der Boreout Menschen mit hoher Intelligenz, guter Qualifikation oder spezifischen Talenten. Fühlen sie sich dauerhaft und massiv unterfordert, setzen Motivationsmangel, Frustration und Arbeitsvermeidungsstrategien ein. In der fortgeschrittenen Form ist die Abneigung so groß, dass Betroffene ihrer Arbeit auch mit großer Anstrengung und Willenskraft nicht nachkommen können. Das so genannte Boreout-Paradoxon beschreibt die Problematik, dass auf Grund der Unterforderung auch bei einfachen Arbeiten Fehler passieren, was nach außen hin wie eine Überforderung erscheinen kann. Im schlimmsten Fall macht sich Apathie breit und damit die Unfähigkeit, an der eigenen Situation etwas zu ändern.
Wann zum Arzt gehen?
Vorübergehende Phasen mit Arbeitsunlust, Motivationsmangel, Unterforderung und Frustration am Arbeitsplatz sind völlig normal. Die wenigsten Menschen empfinden ihre Arbeit stets als interessant und erfüllend. Die Abklärung mit einem Arzt ist dann sinnvoll, wenn eines oder mehrere der oben genannten Symptome hinzutreten. Vor allem bei Auftreten depressiver Symptomatik sollte nicht länger als zwei Wochen abgewartet werden, ob sich die Situation von allein wieder löst. Ob Anzeichen einer Depression vorliegen, ist den Betroffenen oft selbst nicht bewusst. Hier kann ein kostenloser und anonymer Online-Test Hinweise geben. Ein Online-Test sollte aber eher als Vorbereitung auf den Arztbesuch gesehen werden und kann ihn keinesfalls ersetzen.
Der geeignete erste Ansprechpartner bei Verdacht auf Boreout-Syndrom ist der Hausarzt. Er wird abklären, ob die Beschwerden körperliche Ursachen haben und ggf. an einen Psychotherapeuten oder Psychiater überweisen. Liegen die Beschwerden schon über viele Wochen und Monate vor und wird die Situation als sehr belastend empfunden und treten eventuell auch Suizidgedanken hinzu, so kann man sich auch direkt eine geeignete Klinik suchen.
Therapie
Der wichtigste erste Schritt ist, dass der Betroffene sein Problem erkennt. Schuldgefühle und Probleme mit dem Selbstwertgefühl können sich deutlich bessern, wenn die Gründe für die schwierige Lebenssituation nicht in erster Linie bei sich selbst gesucht werden, sondern auf die unbefriedigende Arbeitssituation zurückgeführt werden können.
In der Anfangsphase ist die einfachste und effektivste Behandlung die Beseitigung des Ursprungs des Boreout-Syndroms, also eine berufliche Veränderung. Ist das Boreout-Syndrom noch nicht zu weit fortgeschritten und der Betroffene noch handlungsfähig, sollte er mit dem Vorgesetzten über die Problematik sprechen. Eventuell ist eine Änderung des Tätigkeitsgebiets möglich, vielleicht auch im Zusammenhang mit einer Fortbildung. Anderenfalls sollte in Betracht gezogen werden, die Anstellung zu wechseln.
Da beim Boreout-Syndrom viel Energie in das Ertragen der abgelehnten Arbeitssituation fließt, haben die Betroffenen häufig in der Freizeit wenig Antrieb zu ausgleichenden Aktivitäten. Um wieder mehr Sinn im Leben zu sehen und zu mehr Lebensfreude zu finden, wäre genau das aber ein guter Weg. Geeignete Freizeitaktivitäten können je nach persönlichen Vorlieben Sport, Musizieren, Pflegen sozialer Kontakte und vieles andere mehr sein. Auch bewährte Entspannungstechniken können eine Chance sein, neue Kraft zu schöpfen.
Buch-Empfehlung: „Ausgesetzt zur Existenz“; Franz Sternbald
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Un-Eigentlich Arbeiten und Ent-Fremdung
Begegnen sich zwei Menschen zum ersten Male, lautet die erste Frage nicht etwa, „wer sind Sie?“, sondern „was (oder gar ‚in was’) machen Sie so?“. „Was machen die Geschäfte?“, meint die Frage „Wie geht’s Ihnen?“
Es widerspricht aber der Würde des Menschen, ausgerechnet die betriebsame Ameise als erstrebenswerte Existenzform zum Vorbild gesetzt zu bekommen. Dennoch zieht die abendländische Sozial-Ethik diesen Vergleich allzu leichtfertig heran („sieh die Ameise, in ihrem Fleiße…“).
Mit einiger Verachtung für diesen Vergleich hat sich einmal Lew Tolstoj geäußert. Er soll an dieser Stelle einmal mit seinen Worten zitiert werden:
„Man sagt, daß die Arbeit den Menschen gut macht, ich habe aber immer das Entgegengesetzte beobachtet. Die Arbeit und der Stolz auf sie, macht nicht nur die Ameise, sondern auch den Menschen grausam. Es konnte in der Fabel ja nur die Ameise, ein Wesen, das des Verstandes und des Strebens nach dem Guten entbehrt, die Arbeit für eine Tugend halten, und sich damit brüsten. Die Arbeit ist nicht nur keine Tugend, sondern in unserer falsch organisierten Gesellschaft zumeist ein Mittel, das sittliche Empfinden zu ertöten ….
alle haben keine Zeit, keine Zeit, zur Besinnung zu kommen, in sich zu gehen, über sich und die Welt nachzudenken, und sich zu fragen:
was tue ich? Wozu?“
Wer einen Teil seiner Lebenszeit der Erziehung von Kindern im Sinne Rousseaus „Emile“ widmete, für seine Handreichungen keinen anderen Lohn als Anerkennung verlangte, wer weder gekauft, noch verkauft hat, sondern allein getauscht und geschenkt, somit keine amtlich anerkannte Erwerbsbiographie nachweisen kann, gilt als tätig ‚faul‘.
Denn Arbeit gilt als disziplinierende Strafe, oder, wie schon in der griechischen Antike der unwürdige Teil der ‚Banausoi‘?! Der alttestamentarischen Überlieferung gemäß ist sie gar ein Fluch! Erst mit den Jüngern des Zimmermannsohnes Jesus gelangen die Werktätigen zu ihrer eigentlichen Würde – nachdem sie durch Jesus ihrem Werk zunächst entfremdet worden waren.
Im Begriff der Entfremdung im Sinne einer Ent-Fremdung hatte von Beginn an zweierlei Bedeutung gelegen. Zum Einen den Abzug aus dem eingeübten Nützlichkeitsschema für den ‚pyramidalen’ Betrieb in der Gesellschaft, und zum Anderen überhaupt erst die Aufhebung der Fremdheit der eigenen Existenz gegenüber. Mit dem Übergang von der Un-Eigentlichkeit zum Eigentlichen Ex-sistieren, läuft der ideengeschichtliche Faden, zwar auf verwundenen Wegen, aber dennoch ununterbrochen von Christus bis zu Kierkegaard, Nietzsche und Heidegger.
Die zeitgeistliche Aushöhlung der urchristlichen Botschaft durch die Hirten über einer Herde von unmündigen Schafen, wurde indes beantwortet durch die Formulierung einer säkular sozialistischen Heilsbotschaft. Die potentiell zerstörerische Energie der metaphysisch Entwurzelten, und auf die physis reduzierte Massen (deren Eigenschaften Schwere und Trägheit sind) galt es nun für die Interessen der illuminierten, im Herrschaftswissen eingeweihten, Adepten zu kanalisieren. In einer Verbindung von Arbeit und Kampf entstand mit der Gründung der internationalen Arbeiterbewegung (1864), eine Entsprechung der ideologischen Verknüpfung von Kapital und Militarismus. Im Marsch der „Internationale“ wurde der Takt vorgegeben, der sich sowohl für die Demonstration auf der Straße, als auch für die Arbeit am Fließband eignet. Eine Parallele dazu stellte in vorindustrieller Zeit der zornige Gesang der Baumwollpfücker dar, die unter dem mißbilligenden Blick ihres Herren die Arbeit umso energischer verrichteten. Im kollektiven Aufbegehren liegt stets auch ein disziplinierendes Element, sich als Klasse zu formieren, die ihre Ehre aus dem Fleiß ableitet. Als Widerstand gegen die ausbeuterischen Verhältnisse angelegt, bestätigte die “Internationale“ nichts desto weniger die Zuweisung des künftigen Platzes innerhalb der nunmehr industriellen ‚Pyramide’. Aus dem Haufen, der, nach der Messung an fabrikgemäßen Effizienzkriterien, undisziplinierter Handwerksgesellen vom Lande wurde die individuell gesichtslose Arbeiterschaft geschmiedet, die Pünktlichkeit und Fleiß als ‚deutsche’ Tugend etabliert hat.
Viel näher jedoch am ‚deutschen Wesen’ rührt aber vielmehr die Verehrung der ‚Meisterschaft’, wie sie im Geiste des Genies (=magus/Magier; Magister) zu seiner ethischen Höhe gelangt. Nie ist bloßer Ertrag und Blendung der Zweck des Meisterwerks, sondern das Streben nach der Idealität, die der Meister seines Werks in Holz oder Stein oder Metall, in Bild oder Ton, oder sei es nur eines Gedankens, anstrebt. In seinem Werk ringt der ‚Meister’ um die Verwirklichung seiner selbst; die schicksalshaft bejahende Tat ist sein ureigenster Ausdruck. Das Meisterwerk ist um nichts geringer als die Übereinkunft im „Einzigen und sein Eigentum“ (vgl. Max Stirner). Daher lautet die Erfordernis für würdige Tätigkeitsformen, den Menschen grundgesichert freizustellen zur Selbstverfügung über die Bestimmung zu seinem eigenen Werk.
Die Bedienung des Weltmarktes ist aber nur mit Allerweltsprodukten möglich, die zu Werkbedingungen hergestellt werden, die unter den Zumutungen des globalen Marktes flexibel gehalten werden müssen. Im rationalisierten, also zerstückelten, und digital planbaren Werkprozeß, fragmentiert und verflüchtigt sich zuletzt das schöpferische Element. Im industriellen Mahlwerk gibt es keinen Ort, an dem eigentlich Arbeit verrichtet wird, wenn man diesen Begriff nicht mit dem würdelosen Sklavendienst gleichsetzen möchte, der es zumeist ist. Da die menschliche Würde wesentlich unteilbar an das Individuum geknüpft ist, verbietet es sich in diesem Zusammenhang von einer Leistungs-Ethik zu sprechen, wo nichts anderes als eine Sklavenmoral vorherrscht. Eine vollwertige Ethik weist auf ein Ideal der Vollständigkeit des Menschlichen hin, und es gibt keinerlei Hinweis darauf, daß es für die Industriegesellschaft überhaupt eine solche Ethik geben kann, allenfalls eine disziplinierende Moral, die es zu überwinden gilt. Die Voraussetzung dafür ist die Würdigung der individuellen Professionalität, das Gestattetsein von Außerordentlichkeit, die sich nicht mit einer sozialistischen Nivellierung und Ertragsmaximierung durch den Massenauswurf vereinbaren läßt.
Ein arbeitsethischer Rückzug auf die Wertigkeiten der neurotischen ‚Pünktlichkeit’ und der saturierten ‚Höflichkeit’ bedeutet den endgültigen Verzicht auf eine kulturstiftende Ethik, und eine Beschränkung auf den geordneten Abgang in die Alternativlosigkeit eines plutokratischen Nihilismus.
Nunmehr werden jedoch wohl die Wenigsten von uns noch die handwerkliche Tätigkeit von eigener Hand kennen, denn inzwischen hat der tertiäre Sektor den Agrar- und Industriesektor längst überwuchert. In der Dienstleistungsgesellschaft werden die Umsätze durch das sinnfreie Rauf- und Runterladen bedeutungsloser Datenpakete, durch das Wischen und Abwinken von App-Icons auf dem Display, durch Spielen und Bespieltwerden erzielt.
Daß sich mit Gaming-Programmlizenzen mehr verdienen läßt als durch werkpraktische Fachkompetenzen unterliegt diesbezüglich einer konsequenten Folgerichtigkeit.
Was sich jedoch gegenwärtig als handwerkliche ‚Craft’-Bewegung in Szene setzt, ist eine Aneignung von Konsum-Nischen mit den Distinktionsmerkmalen der ‚Kritik’. Diese holen sich allerdings ihre Rechtfertigung auf eben denselben Markt, der sogar die ironische Distanz sich selbst gegenüber zuläßt, um sie wiederum zum einträglichen Geschäft werden zu lassen. ‚Craft-Beer’ und ‚crafted Coffee’, neben dem ‚Barber-Shop’ im Ambiente urtümlich roher Ästhetik, erschließt einen zahlungskräftigen Kundenstamm, der nichts mehr fürchtet, als dem Mainstream zugeordnet zu werden. Er formiert sich dennoch willig unter den Gesetzen des Marktes zu einer berechenbaren Quelle des steigenden Umsatzes. Der Bezug des Schaffenden zu seinem Werk darf zeitgemäß jedoch nicht bis zur ‚Eigentlichkeit’ gesteigert erscheinen, sondern bedarf der ‚uneigentlichen’ Distanz. Am Beispiel der Servierkraft in einem craft-café, zeigt sich das frisch gestärkte Holzfällerhemd ohne Schweißflecke, und damit als evidenter Beleg für unsere These. Wäre die Tätigkeit inniger mit der Subjektivität des Meisters verbunden, stellte sich unabdingbar eine sperrige Unverfügbarkeit gegenüber den Ideologien des Marktes ein.
Die Frucht des ‚Eigentlichen’ am Werk ist der Schöpferstolz, seine Platzierung auf dem Markt ist das wesentlich ‚Uneigentliche’.
Der Silbenvorsatz eines erdigen craft-Begriffes als Trendfloskel des ‚Neuen Sozialen Marktes’ auf der Basis prekärer Ich-AGs, bezeichnet daher zuverlässig eben gerade kein Faktisches sondern nur etwas Signifikantes, Zeichenhaftes mit dem Verweis auf etwas das nicht Ist (non-est).
Eine stärkere Würdigung der individuellen Leistung widerspräche der protestantischen Ethik des emsig arbeitsteiligen Ameisen-Staates. Nach der sozialistischen Lehre ziemt sich der individuelle Werkstolz nicht, vielmehr lernt der Arbeiter beizeiten seine Würde durch die Arbeitsteilung zugunsten eines höheren Zweckes, als wohin sein Einfluß reicht, abzugeben. So befinden sich das Personal und die Kunden in der zeitgemäßen Craft-Werkstätte in einem solch unausgesprochenen Einvernehmen, wie es die Schauspieler auf der Bühne mit dem Publikum, während der Darbietung eines Stückes, sind. Sie befinden sich miteinander nicht in einer Existenzial-Beziehung, sondern im Dienstverhältnis einer virtuellen Inszenierung.
In der virtuellen Wertstellung durch das Geld erhält der gesamte Arbeitsprozeß wiederum erst seine höhere Weihe, wie die Materie durch den Geist. Darin liegt auch die Verehrung des Geldes begründet – und die Unwürdigkeit, dafür zu arbeiten.
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„ Ausgesetzt zur Existenz “ – warum der Mensch ein Schicksal ist
– vom Ausgang aus der unverschuldeten Absurdität –
Franz Sternbald
Verlag BoD – D-Norderstedt