Unter vergleichbaren Belastungen brechen manche Menschen fast zusammen und entwickeln ernsthafte psychische und somatische Beschwerden, während andere stabil und ohne größere innere Beschädigungen durch die schwierige Situation hindurchgehen. Das liegt daran, dass jder Mensch ein individuelles Maß an Belastbarkeit hat, das ihm zum Teil mit auf den Weg gegeben ist, zum anderen aber im Laufe des Lebens auch stark schwanken kann. Hohe psychische Widerstandskraft eines Menschen wird als Resilienz bezeichnet.

Was ist Resilienz?

Das Wort Resilienz geht auf das lateinische „resilire“ zurück, das mit „zurückspringen“ oder „abprallen“ übersetzt werden kann. Menschen mit hoher Resilienz haben die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen zu überstehen, ohne anhaltende Beeinträchtigungen davonzutragen. Resiliente Menschen bewältigen Krisen und belastende Lebensbedingungen durch Rückgriff auf innere Ressourcen und nutzen sie als Anlass zur persönlichen Weiterentwicklung.

Das Gegenteil von Resilienz ist Vulnerabilität. Vulnerable Menschen tragen besonders leicht seelische Verletzungen durch äußere Einflüsse davon. Personen mit hoher Vulnerabilität haben ein vergleichsweise hohes Risiko, eine psychische Erkrankung (v. a. Depressionen, Suchtverhalten, Angsterkrankungen und posttraumatische Belastungsstörungen) zu entwickeln.

Auch wenn es so aussieht: Resilienz ist kein Schutzschild, an dem jede Form von Belastung abperlt. Resilient sind nicht diejenigen Menschen, die sich von nichts berühren lassen, sondern diejenigen, die dem größten Übel noch ein klein wenig Gutes abgewinnen können. Resilienz hat also viel damit zu tun, wie Situationen bewertet werden. Damit ist nicht gemeint, dass resiliente Menschen Träumer sind, die allem einen rosaroten Schleier überziehen. Resiliente Menschen schätzen Situationen grundsätzlich weitgehend realistisch ein, gehen aber von einem positiveren weiteren Verlauf aus und vertrauen außerdem darauf, dass sie selbst die weiteren Entwicklungen mit beeinflussen und etwas bewirken können.

Wie entsteht Resilienz?

Der Begriff Resilienz wurde ursprünglich in seiner engeren Bedeutung für Kinder verwendet, die unter schwierigen Bedingungen wie Armut, Fluchtsituationen oder auch Drogen im Elternhaus im Erwachsenenalter doch zu einem erfüllten und zufriedenen Leben gefunden haben: mit Ausübung einer qualifizierten Berufstätigkeit, ohne Konflikte mit dem Gesetz und psychisch gesund. Kennzeichnend für solche Menschen ist die Überzeugung, dass sie selbst es in der Hand haben, welche Art von Leben sie führen, und nicht etwa Schicksal, Glück oder Zufall über sie bestimmen. Diese Grundannahme wird auch interne Kontrollüberzeugung genannt.

Heute gelten als Hauptfaktoren für die Ausbildung von Resilienz die wirtschaftlichen Verhältnisse im Elternhaus, günstige bzw. ungünstige Familienkonstellationen, Migration, Einbindung in eine Religionsbereitschaft und eventuell (dies ist wissenschaftlich umstritten) die Erbanlagen.

Kann man Resilienz trainieren?

Während einige Resilienzfaktoren jenseits der individuellen Einflussmöglichkeiten liegen, so kann Resilienz doch ein Stück weit trainiert und damit gestärkt werden. Resilienz ist in erster Linie ein Bewertungsstil. Festgefahrene Denkmuster kann man ändern – aber nicht auf die Schnelle. Life-Coaches und Trainer aller Art bieten Resilienztrainings als mehrstündige oder -tägige Kurse an, oft im Rahmen einer beruflichen Weiterentwicklung bzw. zur Burnout-Prävention. Nachhaltiger sind psychotherapeutische Ansätze, die über einen deutlich längeren Zeitraum hinweg versuchen, Bewertungsmuster zum Positiveren zu verändern.

Auch Initiationsriten, wie sie in vielen ursprünglichen Kulturen durchgeführt wurden, können als eine Art von Resilienztraining verstanden werden: in dem Sinne, dass sie dem oder der Heranwachsenden die eigene Stärke und Selbstwirksamkeit bewusstmachen. In den modernen westlichen Gesellschaften sind solche Initiationsriten weitgehend weggefallen. Sowohl die Bundeswehr als auch die US Army haben für Soldaten und ihre Angehörigen Trainingsprogramme ausgearbeitet, um einsatzbedingte psychische Erkrankungen zu vermindern.

Kritik des Resilienz-Begriffs

Resilienz beschreibt die Kompetenz des Einzelnen, auch unter schwierigen Bedingungen ein gutes Leben zu führen. Bürdet man der Resilienz des Individuums aber die Aufgabe auf, unter gleich welchen Lebensbedingungen erfolgreich zu agieren, werden soziale Probleme privatisiert: Dann ist es nicht Aufgabe von Gesellschaft, Politik und Arbeitgebern, beispielsweise für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen, sondern Aufgabe des Einzelnen, auch mit ungünstigen Gegebenheiten zurechtzukommen. Der Fokus auf die Stärkung von Resilienz ändert nichts an den Risikofaktoren wie Armut, Migration und nachteiligen Familiensituationen, die als mehr oder weniger gegeben akzeptiert werden. Die Bekämpfung und Veränderung der bestehenden Belastungsfaktoren rückt damit in den Hintergrund; prekäre bzw. gewaltvolle Verhältnisse werden letztlich stabilisiert. Diese Überlegungen wurden auch von dem bekannten Resilienz-Forscher Raffael Kalisch geäußert. Kalisch kommt aber zu dem Ergebnis, dass die Chancen größer sind als die Risiken und eine Stärkung der Resilienz daher insgesamt wünschenswert ist.