Burnout-Phasen: Betroffene durchlaufen bis zu 12 Phasen

Burnout-Phasen: Betroffene durchlaufen bis zu 12 Phasen

Angesichts der Tatsache, dass das berufliche Ausgebranntsein zu einem gesellschaftlichen Massenphänomen geworden ist, spielt Burnout in der medizinischen Klassifikation der Erkrankungen (ICD-10) eine sehr geringe Rolle. Hier wird Burnout bisher vornehmlich als Rahmen- oder Zusatzdiagnose erfasst. Im aktuellen Klassifikationssystem der American Psychiatric Association wird Burnout erst gar nicht als eigene Diagnose aufgeführt.

Jeder Burnout lässt sich in zwölf Phasen unterteilen

Dies ist insofern verwunderlich, als seit etlichen Jahrzehnten ernstzunehmende Forschung auf dem Gebiet betrieben wird. Spätestens seit dem 12-Phasen-Modell, das Herbert Freudenberger und Gail North 1992 entwickelt und beschrieben haben, ist „Burnout“ auch keine schwammige Phrase mehr. Burnout ist ein sehr genau umrissenes Krankheitsbild, das nach dem inzwischen klassischen Freudenberger-Schema grundsätzlich in zwölf Phasen verläuft. Wie bei jedem theoretischen Modell sind auch hier in der Praxis Abweichungen möglich, beispielsweise in der Reihenfolge der Phasen. Dennoch ist das 12-Phasen-Modell auf Grund seiner Anschaulichkeit ein hilfreiches Werkzeug zur frühzeitigen Diagnostizierung der individuellen Burnout-Gefährdung. Mittels Fragebögen, die auf dem Freudenberger-Modell basieren, können potenzielle psychische Belastungsfaktoren innerhalb weniger Minuten relativ zuverlässig festgestellt werden.

Eine frühzeitige Diagnose des Burnout ist oft entscheidend

Frühe Burnout-Diagnosen sind ein äußerst relevantes Thema. Frühzeitige Diagnosen ersparen nicht nur Betroffenen und ihren Angehörigen viel Leid. Sie verringern auch die Kosten für Arbeitgeber und das Gesundheitssystem. Das Freudenberger 12-Phasen-Modell kann insofern auch eine wichtige Handreichung für Führungskräfte und übrige Personalverantwortliche sein. Wird der Burnout früh erkannt, kann mit geeigneten arbeitspsychologischen Maßnahmen eine deutliche Verbesserung erreicht und die Abwärtsspirale aufgehalten werden. Nach dem Freudenberger-Modell kann ein Fortschreiten des Burnouts in den Phasen 1-5 gestoppt werden. Je weiter das Syndrom fortgeschritten ist, desto mehr professionelle Hilfe wird benötigt.

Zur Person: Herbert Freudenberger

Herbert Freudenberger war ein deutsch-amerikanischer Psychoanalytiker, wurde 1926 in Frankfurt am Main geboren und starb 1999 in New York City. Freudenberger hat als einer der ersten Wissenschaftler das Burnout-Syndrom beschrieben und schematisiert. Beobachtungen dafür sammelte er in den 70-er Jahren während seiner ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Krankenhaus. 1974 publizierte er den ersten wissenschaftlichen Artikel zum Burnout-Syndrom und prägte auch den Begriff. Mit seiner Kollegin Gail North entwickelte er 1992 das 12-Phasen-Modell des Burnouts.

Das Freudenberger 12-Phasen-Modell

Die 12 aufeinander aufbauenden Burnout-Phasen des Freudenberger-Modells lauten wiefolgt:

Phase 1

Das erste Burnout-Stadium ist von übermäßigem Ehrgeiz gekennzeichnet. Betroffene wollen ihre Arbeit besonders gut machen. Sie stellen an sich selbst hohe Ansprüche, die kaum zu erfüllen sind und verspüren den Zwang, sich zu beweisen. Die ursprüngliche Begeisterung für die Arbeit weicht dem Gefühl, den eigenen Maßstäben nicht zu genügen und führt zu Zwang und Verbissenheit.

Phase 2

Um den eigenen, perfektionistischen Ansprüchen gerecht zu werden, steigern Betroffene ihre Anstrengungen und zeigen noch mehr Einsatz im Beruf. Häufig haben sie dabei das Gefühl, alles selbst und besonders dringend erledigen zu müssen. Arbeiten zu delegieren fällt immer schwerer. Liegengebliebene Arbeit verursacht ein schlechtes Gewissen. Die zweite Phase ist daher häufig auch durch vermehrte Überstunden gekennzeichnet.

Phase 3

Persönliche Bedürfnisse werden dem Erreichen beruflicher Ziele untergeordnet, das eigene Leben kommt zu kurz. Betroffene empfinden den Stress im Beruf als normal, teilweise beschreiben sie ihn sogar als angenehm. Soziale Belange treten in den Hintergrund. Teilweise werden Kollegen abgewertet, die ihren sozialen Bedürfnissen nachkommen. Oft genügen der Feierabend und das Wochenende nicht mehr zur Erholung. Der Lebensstil wird ungesünder; erste kleinere Fehlleistungen treten auf.

Phase 4

Die vierte Burnout-Phase ist durch die Verdrängung von Konflikten geprägt. Auseinandersetzungen mit Kollegen oder auch dem Partner werden nicht mehr voll wahrgenommen. Auch das Empfinden für erste körperliche Symptome des Burnouts ist reduziert. Eigene Bedürfnisse, wie z. B. ausreichender Schlaf, werden verleugnet. Betroffene erkranken häufiger und die Zahl an Fehlleistungen häuft sich, beispielsweise in Form von Unpünktlichkeit, vergessenen Terminen oder sonstigen Fehlern in der Arbeit.

Phase 5

Betroffene stumpfen in ihrer Wahrnehmung immer weiter ab. Der Horizont verengt sich, persönlichen Bedürfnissen wird noch weniger Bedeutung zugemessen. Werte ändern sich, die Betroffenen werden oft hart und berechnend. Was früher wichtig war, tritt zunehmend in den Hintergrund – es wird nur noch für die Gegenwart und für die Arbeit gelebt.

Bis zu dieser fünften Stufe lässt sich der Burnout-Fortschritt nach dem Freudenberger-Modell noch stoppen. Ab Stufe 6 wird professionelle Unterstützung für den Betroffenen benötigt.

Phase 6

Der Verzicht auf persönliche Bedürfnisse wird nicht mehr wahrgenommen; Überarbeitung und Überlastung werden verleugnet. Denken und Verhalten sind von zunehmender Intoleranz und abnehmender Flexibilität geprägt. Nach außen hin zeigt sich diese Phase oft durch Zynismus, Härte und Verbitterung. Der Umgangston ist durch Ungeduld und versteckte oder offene Aggression gekennzeichnet. Betroffene kapseln sich ab. Fehlleistungen und körperliche Symptome nehmen deutlich zu.

Phase 7

Die siebte Burnout-Phase ist durch weiteren sozialen Rückzug geprägt. Selbst Partner, Familie und Freunde werden als lästig, oft auch feindlich erlebt. Betroffene fühlen sich orientierungs- und hoffnungslos. An die Stelle echter Freuden treten häufig Ersatzbefriedigungen, z. B. übermäßiger TV-Konsum oder stundenlanges Surfen im Internet. Teils werden Alkohol und Medikamente als Versuch zum Stressabbau eingesetzt. Beruflich vollbringen Betroffene jetzt nur noch Dienst nach Vorschrift.

Phase 8

Die Verhaltensänderungen werden nun immer deutlicher. Den Betroffenen ist alles egal, sie werden apathisch und teilweise auch paranoid. Kritikfähigkeit ist kaum mehr vorhanden – alles wird als Angriff gewertet. Zusätzliche Arbeitsanforderungen werden als übergroße Belastung empfunden. Um ihnen zu entgehen, greifen Betroffene auf Ausflüchte zurück.

Phase 9

In der neunten Phase ist es möglich, dass Betroffene an einem Wahrnehmungsverlust der eigenen Person leiden. Sie haben das Gefühl, nicht mehr sie selbst zu sein. Sie empfinden sich als Maschine, die funktionieren muss. Die eigene Situation wird als völlig sinnlos und unentrinnbar empfunden. In der Depersonalisation werden frühere eigene Bedürfnisse nicht mehr erkannt. Die Gesundheit wird deutlich vernachlässigt.

Phase 10

Betroffene empfinden eine große innere Leere. Sie fühlen sich nutzlos, mutlos, ausgezehrt. In dieser Phase können sich Ängste, Panikattacken oder Suchtverhalten entwickeln. Neue berufliche Herausforderungen werden als Qual empfunden. Das Wochenende kann überhaupt nicht mehr zur Erholung genutzt werden, weil es von Gedanken an die Arbeit überschattet ist.

Phase 11

Das elfte Burnout-Stadium ist von Depression gekennzeichnet. Betroffene empfinden Verzweiflung, Selbsthass, Sinnlosigkeit, Desinteresse und entwickeln teils suizidale Gedanken. Eigeninitiative und Motivation sind völlig verlorengegangen. Viele Betroffene fühlen sich auch am Wochenende völlig antriebslos, möchten am liebsten gar nicht mehr aufstehen.

Phase 12

Am Ende des 12-Phasen-Modells steht die völlige körperliche, geistige und emotionale Erschöpfung. Ein solcher Zusammenbruch ist ein lebensbedrohender Notfall. Das Immunsystem ist deutlich angegriffen; der Betroffene leidet unter Virus-, Herz-/Kreislauf- oder sonstigen Erkrankungen, häufig auch mehreren Erkrankungen zeitgleich. Die Selbstmordgefahr ist hoch.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Prävention und Gesundheitsförderung