In unseren Ratgebern berichten wir immer wieder darüber, dass der Burnout deshalb entsteht, weil die Fähigkeit zur Erholung verlernt wurde. Obwohl Körper und Geist deutliche Signale aussenden, dass Erschöpfung sich breit macht und Ruhe benötigt wird, ignorieren Burnoutbetroffene das Bedürfnis nach ausreichenden Erholungspausen. Stattdessen arbeiten sie weiter auf hohem Level und achten kaum mehr auf den erschöpfenden Stress, dem sie ausgesetzt sind. Führende innovative Unternehmen, wie etwa der Suchmaschinenbetreiber Google haben den kausalen Zusammenhang von hohem Leistungsdruck, fehlender Achtsamkeit und dem Phänomen Burnout erkannt. Denn wer dauerhaft viel Leistung erbringt, sich aber nicht genug erholt, bricht irgendwann unter dem sich einschleichenden Burnoutsyndrom zusammen. Dabei ist nicht einmal das hohe Leistungspensum das Problem, sondern die fehlende Erholung und das Abschalten des Kopfes, um Stress adäquat abzubauen. Mit effizienter Stressbewältigung lassen sich jedoch Höchstleistungen und Erholung sehr effizient vereinen, wie es im Hause Google praktiziert wird. Der Suchmaschinengigant fordert zwar viel von seinen Mitarbeitern, aber Google investiert in beispielhafter Weise in die Burnout-Prävention. Das Unternehmen setzt dabei auf zwei tragende Säulen: Entlastung der Mitarbeiter sowie Achtsamkeitstraining.
Google´s Anti-Stressprogramm
Der Suchmaschinenriese ist ein attraktiver Arbeitgeber, der nicht nur gut bezahlt, sondern auch innerbetrieblich sehr viel dafür tut, dass es den Angestellten gut geht und der Krankenstand niedrig ausfällt. Ähnlich, wie in anderen großen Unternehmen gibt es einen betriebsinternen Kindergarten, einen Waschservice sowie zahlreiche weitere Annehmlichkeiten. Dahinterstehendes Ziel: Das Unternehmen will seine Mitarbeiter von alltäglichen Stressfaktoren entlasten, damit diese sich voll und ganz auf ihren Job konzentrieren und bessere Leistungen erbringen können. Gleichzeitig stärkt der Konzern die psychischen Ressourcen der Mitarbeiter, damit die Belegschaft nicht in die Burnoutspirale geraten. Dies gelingt unter anderem durch ein Kurs-Angebot für Achtsamkeitstraining, bei dem die Teilnehmer wirksame Methoden des Stressabbaus erlernen.
Dieses neuartige Firmenbewusstsein geht auf einen Mitarbeiter des Konzerns zurück, der etwa im Jahr 2007 den Grundstein für die Burnout-Prävention am Arbeitsplatz im Hause Google gelegt haben dürfte.
Das englischsprachige Magazin Wired erzählt die Geschichte eines Google-Entwicklers, dem es zunehmend schwerer fiel, nach dem Job abzuschalten. Statt an Googles Algorithmen arbeitete der Entwickler gemeinsam mit Achtsamkeitsexperten an der Erschaffung eines Kurs-Programms, mit dem Google Mitarbeiter Stressresistenz, Stressabbau sowie Stressresilienz künftig verbessern können sollten. Kerninhalt des Kurses: Achtsamkeit.
Was ist Achtsamkeit?
Der Google-Entwickler war sich sicher, dass ein wesentliches Element der buddhistischen Lehre, nämlich die Achtsamkeit, der Schlüssel bei der Burnout-Prävention sei. Es gibt diverse Definitionen des Begriffs, die sich zwar je nach erklärendem Gelehrten (z. B. Jon Kabat-Zinn, Goleman, Brown und Ryan, Bishop) unterscheiden, jedoch alle im Wesentlichen eine Kernaussage beinhalten: Auf sich aufpassen ist gesundheitsfördernd!
Die Achtsamkeitslehre geht auf die mehr als 2500 Jahre alte buddhistische Lehre ‘Satipatthana-Sutta’ zurück und wird häufig als esoterische Methode empfunden. Dies mag insoweit zutreffend sein, als man sich mit der buddhistischen Lehre eingehend befassen kann, um den tieferen Sinn des Achtsamseins zu verstehen.
Doch das Thema Achtsamkeit kann auch ohne tieferes religiöses Verständnis genutzt werden, um dem Burnout präventiv mit Achtsamkeitstraining zu begegnen. Denn bestimmte Programme greifen Elemente der buddhistischen Lehre auf, um Menschen bei einer gesunden Lebensweise zu unterstützen. Einer der bekanntesten Wissenschaftler in diesem Gebiet ist Jon Kabat-Zinn.
Der emeritierte Professor Jon Kabat-Zinn hat sein wissenschaftliches Arbeiten der Achtsamkeitsmeditation verschrieben. Sein Anliegen ist es, Menschen bei der Bewerkstelligung von Angst, Stress und Krankheit zu helfen. Mit dem Programm Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz MBSR und auf Deutsch ‘Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion’, bietet Jon Kabat-Zinn Interessierten verschiedene Aufmerksamkeitsübungen und Meditationen an, die z. B. zu einem besseren Umgang mit Stress befähigen sollen.
Wie funktioniert die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion?
Man muss sich nicht zwingend mit der buddhistischen Lehre befassen, um mit Achtsamkeit zu einer besseren und gesünderen Lebensweise zu gelangen. Viel wichtiger ist es, den jeweils für sich begehbaren Weg hin zu mehr Achtsamkeit zu finden. Genau hier bietet die Grundidee von Jon Kabat-Zinn einen interessanten Ansatz.
Der Professor definiert Achtsamkeit wie folgt:
Konkret bedeutet dies:
- Sich ganz bewusst eine Auszeit nehmen.
- In dieser Auszeit in sich hineinschauen und sich selbst wahrnehmen.
- Die Selbstwahrnehmung nicht bewerten, sondern annehmen.
Bei dieser Form achtsamkeitsbasierter Stressreduktion bietet sich die Gelegenheit, tieferliegende Bedürfnisse, die im Alltagsstress und unter Leistungsdruck nicht wahrgenommen werden, zu erkennen. Indem keine Wertung des eigenen Zustandes erfolgt, fällt es leichter, adäquat zu handeln und sich Erholungspausen zu gönnen, obwohl noch so viel zu erledigen ist. Denn wer keine Wertung darüber vornimmt, dass etwas liegen bleiben darf oder wer ganz sachlich feststellt, dass mehr Arbeit in einem bestimmten Zeitrahmen nicht machbar ist, stellt sich nicht unter Leistungsdruck und entwickelt auch keine Schuldgefühle, sondern akzeptiert, dass Pausen und Entspannung wohl verdient und nötig sind.
Achtsamkeitstraining ist ein Lernprozess
Besser auf sich zu achten, mehr die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen – das klingt sehr einfach, doch fällt den meisten Burnout-Betroffenen schwer, den Einstieg in ein achtsames Leben zu finden. Daher kann die Teilnahme an einem mehrwöchigen MBSR Programm eine zielführende Maßnahme sein, um zunächst die Achtsamkeitsmethoden zu erlernen, um sie später autark im Alltag zur Stressbewältigung anwenden zu können.
Nicht jeder Burnoutgefährdete hat das Glück, in einem Unternehmen wie Google zu arbeiten, das entsprechende Kurse für Achtbarkeitstraining anbietet. Dann empfehlen sich Kurse bei MBSR-Lehrern oder in Kliniken, die ein entsprechendes Kursprogramm im Angebot haben.
Kliniken bieten MBSR als mehrwöchiges Programm an, bei dem verschiedene Methoden angewandt werden, um Stress zu reduzieren und sich emotional gegen die Folgen von Stress zu wappnen.
Zu den Übungen zählen beispielsweise:
- achtsame Körperwahrnehmung
- achtsames Ausführen verschiedener Yoga-Stellungen
- Sitzmediation sowie Gehmeditation
- achtsam ausgeführte langsame Bewegungen und Handlungen
- sowie weitere Elemente der Körpertherapie.
Achtsamkeitsübungen: Sich und den Moment neu wahrnehmen
Erste Übungen beim Achtsamkeitstraining wirken befremdlich und stehen im Kontrast zur bisher gewohnten Lebensweise, bei der nicht der Moment, sondern die Leistung im Vordergrund stand. Um Ihnen anhand einiger Beispiele aufzuzeigen, was es heißt, achtsam zu leben, haben wir nachfolgend einige Achtsamkeitsübungen für Sie.
Den eigenen Atem spüren
Atmen ist ein Vorgang, den wir rund um die Uhr vollkommen automatisch und kaum spürbar durchführen. Beim Achtsamkeitstraining ist das Spüren des Atems eine wichtige Übung, die dabei hilft, Körper und Geist zu vereinen. Gleichzeitig ist diese Achtsamkeitsübung bestens dazu geeignet, in stressigen Momenten kühlen Kopf zu bewahren und dem Stress wirksam entgegenzuarbeiten oder gerade erlebten Stress wirksam abzubauen.
Und so geht diese Atemübung:
Legen Sie eine Hand auf den Bauch, schließen Sie die Augen und atmen sie bewusst durch die Nase ein, bis Sie merken, wie der Atem in Ihrem Bauch ankommt. Nach dem Einatmen erfolgt das Ausatmen durch den Mund. Achten Sie dabei darauf, wie es sich anfühlt, wenn Sie die Atemluft ganz bewusst aus Ihrem Körper entweichen lassen. Indem Sie langsam mitzählen, wenn Sie ein- und ausatmen, wird Ihr Atem gleichmäßiger und rhythmischer. Nach einigen Minuten merken Sie, wie Sie innerlich zu mehr Ruhe gekommen sind.
Entschleunigung
Viele Dinge, die wir tagtäglich im Alltag verrichten, tun wir intuitiv, ohne dass wir dabei unsere Empfindungen wahrnehmen müssen. Suchen Sie sich eine routinierte Handlung aus, der Sie im normalen Alltag keine besondere Bedeutung beimessen (z. B. Zähne putzen, Brot essen, Haare kämmen). Endschleunigen Sie diese Handlung ganz bewusst, lassen Sie sich doppelt soviel Zeit als sonst und nehmen Sie achtsam wahr, wie sich diese Handlung anfühlt, wenn Sie diese nicht “nebenbei” erledigen.
- Wie schmeckt die Zahnpasta?
- Wie fühlen sich die Borsten der Zahnbürste am Zahnfleisch an?
- Riechen und schmecken Sie den Brotbelag ganz bewusst.
- Fühlen Sie beim Kauen das Brot am Gaumen.
- Ertasten Sie mit den Händen den Unterschied zwischen gekämmtem und ungekämmtem Haar.
- Schenken Sie dem Geräusch des Haarekämmens besondere Aufmerksamkeit.
Tiere als Spiegel des eigenen Ich´s
Der Umgang mit Tieren bietet eine sehr gute Gelegenheit, das eigene Bewusstsein und die Selbstwahrnehmung zu trainieren. Nehmen Sie Kontakt mit einem Tier auf und achten Sie auf die Reaktionen des Tieres, während Sie sich mit ihm beschäftigen. Ob Katze, Hund, Meerschweinchen oder Pferd – das Tier wird widerspiegeln, wie es Sie empfindet.
Reagiert das Tier mit…
- Angst?
- Abneigung?
- Freude?
- Nervosität?
- Gelassenheit?
Falls das Tier sich vor Ihnen fürchtet, es nervös wird oder den Kontakt mit Ihnen meiden will – woran könnte dies liegen? Was können Sie ändern, damit sich auch die Reaktion des Tieres in eine positive Richtung ändert?
Achtsam Details fotografieren
Im Alltag gehen viele Dinge einfach spurlos an uns vorüber. Vor allem sind es oft die schönen Dinge, die wir gar nicht bemerken, während wir routiniert und gewissenhaft den Alltagspflichten nachgehen. Um die eigene Wahrnehmung zu verbessern und achtsamer durch´s Leben zu gehen, ist das Fotografieren eine tolle Übung.
Entweder mit der Kamera oder mit dem Smartphone können Sie sich auf die Suche nach schönen Details machen, die Sie bisher nicht wahrgenommen haben. Fotografieren Sie zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit ein Gebäude, einen Baum oder eine Statue. Auch können Sie bei einem Spaziergang im Wald oder über ein Feld etwas fotografieren, das Ihre Aufmerksamkeit verdient hat. Es bleibt dabei Ihnen überlassen, ob Sie bereits draußen nach einem besonderen Fotomotiv Ausschau halten oder ob Sie einfach drauflos knipsen und zuhause Ihre Fotos nach besonderen Aufnahmen durchsehen. So oder so werden Sie durch das Fotografieren neue Ansichten und Einblicke erhalten, die Ihnen bisher verwehrt blieben.
Achtsamkeitstraining: Die Veränderung braucht Zeit
Achtsamer zu leben ist für viele Burnout-Risiko-Kandidaten genau das Gegenteil dessen, was der aktuellen Lebensweise entspricht. Wo Leistungsdruck, Arbeiten auf Hochtouren, Stress und viel zu wenig Pausen sich die Klinke in die Hand geben, ist die Veränderung zu mehr Achtsamkeit eine echte Herausforderung.
Es ist nicht zielführend, sich weiterem Leistungsdruck zu unterwerfen, indem man erwartet, dass schon nach zwei oder drei Achtsamkeitsübungen deutlich mehr Ruhe in die Lebensgestaltung kehrt. Sich Zeit zu nehmen, um auf sich zu achten und sich bewusst zu erholen, muss oftmals erst (wieder-)erlernt werden.
Auch, wenn im Achtsamkeitstraining einzelne Übungen nicht oder nicht sofort das gewünschte Ergebnis erzielen, dienen die Übungseinheiten und zu erlernenden Methoden dazu, sich selbst auf die eigenen Bedürfnisse zu sensibilisieren, um künftig besser Stress vermeiden und Stress abbauen zu können. Die Stressresilienz, also die Fähigkeit, sich von Stress effektiv zu erholen, wird nachhaltig gesteigert. Somit ist Achtsamkeitstraining sowohl im Rahmen der Burnout-Prävention wie auch bei der Burnoutbekämpfung ein effizientes Bordmittel.
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